Film & Fernsehen

Berlinale 2008: Qualität braucht Sicherheit

Debatte zur Berlinale: "Nach Drehschluss Hartz IV"

Initiativen zur sozialen Absicherung von Filmschaffenden in Deutschland - Debatte über Gesetzesänderungen und andere Lösungen

(Berlin, 14. Februar 2008) "Lassen Sie uns gemeinsam etwas für eine bessere soziale Absicherung der Filmschaffenden unternehmen", appellierte die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (CDU) bei der Podiumsdiskussion des ver.di-Projekts connexx.av mit dem BundesFilmVerband (BFV) bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin. Unter dem Motto "Nach Drehschluss Hartz IV" debattierte die Vorsitzende der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" mit dem Schauspieler Hans-Werner Meyer vom Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS), dem Produktions- und Aufnahmeleiter Reinhold Dienes vom Bundesverband Produktion und Matthias von Fintel, Medien-Tarifexperte bei ver.di, am Mittwoch in Berlin über die schlechte Lage der Beschäftigten in diesem Bereich der Kreativwirtschaft.

Ungerechtfertigter Leistungsausschluss von Filmschaffenden

Dazu gehören vor allem Veränderungen in der Sozialgesetzgebung in den letzten Jahren, die zu krassen Ungerechtigkeiten führen, weil sie die Spezifik von Film- und Fernsehproduktionen ignorieren. So sind zum Beispiel auf Produktionsdauer Beschäftigte verpflichtet, in die Sozialkassen einzuzahlen, scheitern aber in Zeiten zwischen den Filmproduktionen daran, Leistungen zu erhalten - etwa bei der Bundesarbeitsagentur. Grund: Sie müssen nun statt in drei Jahren schon in zwei Jahren (Rahmenfrist) 360 Tage versicherungspflichtige Beschäftigung nachweisen, was aufgrund der verkürzten Produktionszeiten für Filme und Serien kaum zu schaffen ist. Neben einigen Aktionen von Betroffenen und ihren Verbänden gegen diesen ungerechtfertigten Leistungsausschluss hat auch die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Deutschen Bundestages die Lage kritisiert. In ihrem im Dezember 2007 vorgelegten Abschlussbericht wurden Korrekturen bei den Rahmenfristregelungen vorgeschlagen - einstimmig und parteiübergreifend. Inzwischen gibt es zwei unterschiedliche Anträge im Bundestag für Veränderungen, ein dritter ist angekündigt.

"offen auch für andere Modelle"- die Lösung zählt

Im Mittelpunkt der BFV-Podiumsdebatte von ver.di bei der Berlinale stand deshalb nicht mehr, ob Veränderungen nötig sind, sondern welche. Gitta Connemann erläuterte das von der Kommission favorisierte "Schweizer Modell", bei dem die ersten 30 versicherungspflichtigen Tage einer Filmproduktion doppelt gezählt werden, und berichtete über neue Gespräche mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Zugleich zeigte sie sich "offen auch für andere Modelle" - wichtig sei nur, sie führten "bald zur Verbesserung der Lage". Matthias von Fintel verwies auf "Nachteile und ungeklärte Fragen des Schweizer Modells" und warb um Unterstützung für die Kampagne "5 statt 12". Sie zielt darauf ab, die Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld I von 12 auf fünf Monate zu verkürzen. "Nur damit ist das ständig drohende Abrutschen in Hartz IV für Filmschaffende zu vermeiden", sagte von Fintel und räumte ein, dass "durchaus andere Lösungen diskutiert werden können, die zu diesem Ergebnis führen". Schauspieler Hans-Werner Meyer und Reinhold Dienes vom Bundesverband Produktion sprachen von einem "Dilemma, sich zwischen verschiedenen Modellen entscheiden zu müssen". Bundestagsabgeordnete Connemann warnte davor, dass "ein Modell-Streit baldige Lösungen behindert".

Veränderungen brauchen gemeinsame Initiativen!

Einigkeit bestand auf dem Podium wie auch in der Debatte mit dem Publikum darin, dass die "Korrektur von Systemfehlern" nur der erste Schritt zu angemessener sozialer Absicherung der Filmschaffenden sein kann. Es gelte, noch etliche bürokratische Hürden abzubauen, die dem für die Branche typischen Mix bzw. den Wechsel zwischen verschiedenen Tätigkeitsformen wie "selbstständig", "auf Produktionsdauer" und "unständig beschäftigt" nicht gerecht werden. Auf entsprechende Klärungen und Vereinbarungen der Tarifpartner verwiesen sowohl von Fintel wie auch Meyer. Sie allein seien aber keine dauerhafte Lösung, müssten durch entsprechende Gesetzesinitiativen flankiert werden. So bekräftigte Wille Bartz, Projektleiter connexx.av, den Vorschlag des BundesFilmVerbandes, dass die millionenschwere Filmförderung, die zum großen Teil aus Steuermitteln erfolgt, mit Sozialklauseln verbunden wird bzw. als Vergabekriterium die Einhaltung deutscher Tarifverträge beinhalten muss. Fazit der BFV-Berlinale-Veranstaltung: Filmqualität braucht soziale Sicherheit, Veränderungen brauchen gemeinsame Initiativen!